Dein Nervensystem will dich schützen: Polyvagal-Theorie, Regulation und der Weg zurück zu deinem inneren Feuer
- feuerherzfrau
- 19. Aug.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Aug.
Ich will nicht mehr nur funktionieren. Ich will leben. Wenn du dich darin wiederfindest, bist du hier richtig. Du hast gelernt, dein inneres Feuer zu zähmen, dich klein zu machen, damit du nicht zu viel bist. Du sagst Ja, obwohl dein Körper Nein ruft. Nicht, weil du schwach bist – sondern weil dein Nervensystem dich schützen wollte. Heute beginnst du, seine Sprache zu verstehen: damit du Stress abbaust, innere Ruhe und Erdung findest und dein Licht wieder leuchten darf.

Zusammenfassung für Eilige
- Das autonome Nervensystem hat drei Zweige: Sympathikus (Kampf oder Flucht), dorsaler Vagus (Erstarrung/Kollaps und Entspannung) und ventraler Vagus (Social Engagement: Sicherheit und Verbundenheit).
- Die Polyvagal-Theorie erklärt, wie dein Nervensystem je nach wahrgenommener Sicherheit zwischen Zuständen wechselt.
- Stresstoleranzfenster: In diesem Bereich bist du reguliert und handlungsfähig. Ziel: das Fenster vergrößern.
- Polyvagale Leiter: Ein Modell, um Schritt für Schritt von Erstarrung über Aktivierung in Verbundenheit zu kommen.
- People Pleasing und Fawn Response sind Schutzstrategien deines Nervensystems – keine Charakterschwäche.
- Methoden aus meinem traumasensiblen Coaching: somatische Achtsamkeit, Embodiment, Vagus-Stimulation, Grenzen, Co-Regulation und bindungsorientierte Integration.
- Ergebnis: weniger Stress, mehr Sicherheit, Selbstachtung, Verbundenheit und Lebendigkeit.
Gliederung
1. Dein autonomes Nervensystem: Drei Zweige, ein Schutzauftrag
2. Polyvagal-Theorie: Sicherheit vor Leistung
3. Nervensystemzustände: Gezähmt nach außen, inneres Feuer im Käfig
4. Stresstoleranzfenster und Polyvagale Leiter
5. Somatische Achtsamkeit: Die Sprache deines Körpers
6. People Pleasing und Fawn Response verstehen und verwandeln
Du hast gelernt, dein Licht zu dimmen, um nicht zu viel zu sein. Jetzt darfst du es heben – sicher, geerdet, in deiner Wahrheit. Dein Nervensystem geht mit.
1. Dein autonomes Nervensystem: Drei Zweige, ein Schutzauftrag
Dein Nervensystem arbeitet unablässig für ein Ziel: Sicherheit. Es reguliert Energie, Kontakt und Grenzen – oft, bevor du bewusst entscheiden kannst. Die drei Zweige:
- Sympathikus (Fight or Flight – Kampf oder Flucht): Herzschlag steigt, Atmung wird schneller, Fokus wird eng. Hilfreich bei akuter Herausforderung, belastend bei Dauerstress.
- Parasympathikus, dorsaler Vagus: Er hat zwei Gesichter.
- Unter wahrgenommener Lebensbedrohung: Freeze/Kollaps – Erstarrung. Energiesparen, Taubheit, inneres Abschalten, Dissoziation. Ein letzter Schutz bei Überwältigung; auf Dauer können Leere, Antriebslosigkeit und Isolation entstehen.
- In Sicherheit: Tiefe Entspannung und Regeneration. Du kannst angstfrei Bewegungslosigkeit genießen, mühelos loslassen und dich „schwer und sicher“ fühlen. Verdauung von Essen und Erlebtem wird möglich – dein System integriert, was war.
- Parasympathikus, ventraler Vagus (Social Engagement – soziale Verbundenheit): Sicherheit, Ruhe, Spiel, Kreativität, klare Grenzen. Hier fühlst du dich verbunden – mit dir, Menschen, Natur und Tieren.
2. Polyvagal-Theorie: Sicherheit vor Leistung
Die von Dr. Stephen Porges entwickelte Polyvagal-Theorie beschreibt, wie dein Nervensystem die Welt auf Sicherheit scannt und entsprechend schaltet. Nicht der Kopf entscheidet zuerst, sondern der Körper.
Wenn dein System Gefahr liest – real oder aus früher Erfahrung gelernt –, priorisiert es Schutz. Erst wenn der ventrale Vagus aktiv ist, sind Präsenz, Verbundenheit und flexible Handlung möglich. Du bist nicht zu sensibel. Dein Nervensystem ist intelligent.
3. Nervensystemzustände: Gezähmt nach außen, inneres Feuer im Käfig
Wenn du dich lange angepasst hast, prägen sich Muster ein:
- Antrieb im Sympathikus: Perfektionismus, Antreiben, Hypervigilanz, nie genug sein.
- Rückzug im dorsalen Vagus: Müdigkeit, Nebel im Kopf, Gefühl der Leblosigkeit, „Ich funktioniere, aber ich spüre mich nicht.“
- Verbundenheit im ventralen Vagus: Wärme, Klarheit, Selbstachtung, echte Grenzen, Kreativität.
Zwischen Zuständen zu pendeln ist normal. Leid entsteht, wenn du steckenbleibst. Der Weg heraus führt über sensible Regulation, ein Gespür für deinen Körper zu entwickeln und nicht über noch mehr Selbstdisziplin. Gib deinem Nervensystem echte Sicherheit – innen und in Beziehung.
„Dein Nervensystem ist nicht dein Gegner – es ist dein Schutz. Wenn du seine Sprache verstehst, weitet sich dein Stresstoleranzfenster, People Pleasing verliert Macht und dein gezähmtes Feuer wird zu klarer, geerdeter Kraft.“
4. Stresstoleranzfenster und Polyvagale Leiter

Stresstoleranzfenster (nach Daniel Siegel): Der Bereich, in dem du emotional reguliert und handlungsfähig bist. Außerhalb davon kippst du in Übererregung (Sympathikus) oder Untererregung (dorsaler Vagus). Traumasensibles Coaching zielt darauf, dein Fenster zu vergrößern.

Polyvagale Leiter: Dein Weg von Erstarrung zu Verbundenheit
Im vorangegangenen Text bist du den drei Nervensystemzuständen begegnet. Stephen Porges zeigte, dass dein autonomes Nervensystem Stress in einer Reihenfolge verarbeitet – sichtbar in der Polyvagalen Leiter, einem Modell nach Deb Dana.
Unten: Neurozeption der Lebensbedrohung – dorsaler Vagus. Erstarrung, Taubheit, Rückzug; dein System schaltet auf Überleben, nicht auf Versagen.
Mitte: Neurozeption der Gefahr – Sympathikus. Kampf oder Flucht, Druck, rasende Gedanken, Getriebensein; du funktionierst, doch dein Licht dimmt.
Oben: Neurozeption der Sicherheit – ventraler Vagus. Ruhe, Kontakt, Kreativität, klare Grenzen; du fühlst dich geerdet und verbunden.
Du springst nicht nach oben – du kletterst Sprosse für Sprosse mit Regulation und Co-Regulation.
Beginne mit Orientierung im Raum, verlängertem Ausatmen und sanftem Summen (mmm/voo) – der Vagusnerv liebt Rhythmus. Selbstberührung (Hand aufs Herz/Bauch) und ein körperliches Nein stärken Würde und Grenzen.
Mit jeder kleinen Sprosse weitet sich dein Stresstoleranzfenster – dein gezähmtes Feuer wird zu klarer, geerdeter Kraft.
„Sicherheit im Körper ist der Weg zurück zu dir: Mit jeder bewussten Ausatmung, mit Co-Regulation und liebevollen Grenzen kletterst du die polyvagale Leiter hinauf – aus Erstarrung und Überanpassung in Verbundenheit, Würde und Lebendigkeit.“
5. Somatische Achtsamkeit: Die Sprache deines Körpers
Du hast gelernt, dein Licht zu dimmen. Somatische Achtsamkeit führt dich zurück in deine innere Mitte – ohne Druck, ohne Selbstoptimierung. Die somatische Achtsamkeit hilft uns, unser Nervensystem auf verschiedenen somatischen Kanälen zu verstehen. Dadurch können wir einer Dysbalance entgegenwirken und uns wieder in das Stresstoleranzfenster und unsere innere Mitte bringen. Wichtig ist, dass wir nichts bewerten und uns darin üben, es wohlwollend anzunehmen. Vielleicht kannst du dich in die Position einer inneren Beobachterin bringen?
Somatische Achtsamkeit ist die Basis dafür, dass wir die Sprache unseres Nervensystems auf verschiedenen Ebenen unseres Körpers verstehen. Sie umfasst:
Körperempfindungen: Druck, Temperatur, Puls, Spannung, Weite
Innere Bilder und Sinneseindrücke: Farben, Formen, Klänge, Gerüche, Texturen
Bewegungen: Mikrobewegungen, Impulse zu Strecken, Schütteln, Stillsein
Emotionen: feine Gefühlsnuancen von Unruhe bis Wärme
Gedanken: innere Sätze, Bewertungen, Geschichten – bemerken statt glauben
Je regulierter ein Nervensystem und je feiner die Wahrnehmung der somatischen Ebenen ist, desto besser können wir unser Wohlbefinden beeinflussen. Somatische Achtsamkeit ist damit auch eine Grundlage für Achtsamkeit insgesamt: vom Kopf zurück in den Körper, vom Funktionieren in Verbindung. Die somatische Achtsamkeit ermöglicht uns, unsere Körperempfindungen zu erkunden. Dadurch ist es uns möglich, immer öfter und leichter in unserer inneren Mitte anzukommen.
Mini-Praxis für heute
Setze dich bequem hin. Wähle die innere Beobachterin.
Spüre 3 Atemzüge lang den Kontakt zum Boden. Nichts verändern.
Benenne leise: 1 Empfindung im Körper, 1 innere Farbe oder Bild, 1 Bewegungsimpuls, 1 Gefühl, 1 Gedanke.
Sage innerlich: „Alles, was ich wahrnehme, darf da sein.“ Länger ausatmen. So beginnt Regulation.
6. People Pleasing und Fawn Response verstehen und verwandeln
People Pleasing und Fawn Response sind keine Charakterschwächen, sondern intelligente Schutzreaktionen deines Nervensystems. Sie entstehen, wenn dein Körper Sicherheit über Zustimmung und Harmonie herstellt – oft gelernt in Beziehungen, in denen „zu viel sein“ gefährlich schien.
Begriffe kurz geklärt:
- People Pleasing: das Bedürfnis, es anderen recht zu machen – häufig auf Kosten der eigenen Grenzen und Bedürfnisse.
- Fawn Response: Überanpassung und Beschwichtigung, um Gefahr zu entschärfen und Ablehnung zu vermeiden.
Neurobiologie dahinter:
- Beim People Pleasing ist häufig der Sympathikus aktiv. Hypervigilanz (permanente Wachsamkeit) und Hyperarousal treiben dich, Stimmungen zu scannen, Konflikte zu vermeiden und dich schnell zu fügen. Dein System liest Gefahr und wählt „Frieden sichern“, um Stress zu reduzieren.
- Die Fawn Response ist oft ein Mischzustand. Der dorsale Vagus kann Immobilität und inneres Abschalten bringen, während dein Social Engagement System unter Stress versucht, über Anpassung Sicherheit herzustellen. Ergebnis: Du zeigst gefällige Nähe, versteckst aber deinen wahren Kern. In Lebensbedrohung kippt der dorsale Vagus in Erstarrung; in Sicherheit ermöglicht er tiefe Regeneration – dieses Potenzial wollen wir wieder zugänglich machen.
- Wenn der ventrale Vagus (Social Engagement) aktiv ist, fühlst du dich sicher, verbunden und klar. Von hier aus werden Grenzen, authentischer Kontakt und Selbstachtung möglich.
Wie die Muster entstehen:
- Früh erlebte Unsicherheit oder Bindungsbrüche lehren dein Nervensystem: Zugehörigkeit gibt es nur, wenn du dich zähmst. Dein Körper verbindet „Nein“ sagen mit Gefahr und „Ja“ sagen mit Sicherheit. So werden People Pleasing und Fawn Response zu verlässlichen, automatischen Strategien.
Wie du sie verwandeln kannst:
- Somatische Achtsamkeit: Beobachte ohne Urteil, auf welchen Kanälen sich Sicherheit/Gefahr zeigt – Körperempfindungen, innere Bilder und Sinneseindrücke, Bewegung, Emotionen, Gedanken. Benenne leise: „Hier ist Druck im Brustbein … ein Impuls, die Schultern zu senken … ein Bild von Enge.“ Das bringt dich zurück ins Stresstoleranzfenster.
- Mikro-Regulation: Länger ausatmen (4 ein, 6–8 aus), sanftes Summen (mmm/voo), Orientierung im Raum, Hand aufs Herz/Bauch. So kletterst du die polyvagale Leiter Sprosse für Sprosse nach oben – Richtung ventraler Vagus.
- Co-Regulation: Suche sicheren Blickkontakt, eine ruhige Stimme, verlässliche Präsenz. In warmem Kontakt lernt dein Nervensystem neu: Nähe kann sicher sein.
- Grenzen in kleinen Schritten: Erlaube dir „Ich antworte später“, „Ich prüfe das“. Spüre dabei Handflächen und Brustbein – ein körperliches Nein verankert innere Würde.
- Tempo und Stimme: Langsamer, tiefer, weicher sprechen signalisiert deinem Körper Sicherheit und reduziert das Drängen des Sympathikus.
- Inneres Kind: Frage: „Was brauchst du jetzt, um dich sicher zu fühlen?“ Erfülle eine kleine, konkrete Bitte (Wasser, Decke, frische Luft). Sicherheit zuerst, Konfrontation dosiert.
Ergebnis:
Mit wiederholter Regulation, Co-Regulation und würdevollen Grenzen weitet sich dein Stresstoleranzfenster. People Pleasing und Fawn Response verlieren ihre Dominanz. Dein Nervensystem lernt: Du darfst verbunden sein, ohne dich zu zähmen. Dein Feuer wird fühlbar – klar, geerdet, wahr.
Fazit

Du bist nicht zu viel. Du warst gezwungen, dich zu zähmen. Dein Nervensystem hat dich beschützt – jetzt darf es dich heimführen: in Regulation, innere Ruhe, Erdung und Verbundenheit. Wenn du die Polyvagal-Theorie in deinem Alltag verkörperst, weitet sich dein Stresstoleranzfenster, People Pleasing verliert Macht, Fawn Response wird überflüssig.
Ich begleite dich im traumasensiblen Coaching, damit du sichere Grenzen, Co-Regulation und Embodiment lebst – klar, liebevoll, würdevoll. Ich will mich leben. Wenn das dein Ruf ist, lass uns beginnen.
Feuerherzliche Grüße, Gabriele
Über die Autorin:
Gabriele Westermann ist Feuerherzfrau, NI Traumacoachin und somatische Prozessbegleiterin. Sie unterstützt Frauen, die nach außen stark wirken und sich innerlich anpassen, dabei, People Pleasing und Fawn Response zu lösen, ihr Nervensystem zu beruhigen und klare Grenzen zu leben. Mit Empathie, Erfahrung und traumasensiblem Fachwissen öffnet sie einen sicheren Raum für Selbstliebe, Würde und weibliche Urkraft – damit aus Selbstzweifeln gelebte Authentizität wird. Du spürst den Ruf? Mehr unter www.feuerherzfrau.de
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